Mutige Christen und Christinnen braucht das Land

Mutige Christen und Christinnen braucht das Land

Mutige Christen und Christinnen braucht das Land

© francescosgura

Unser Umfeld wird gesellschaftlich, kulturell, weltanschaulich und religiös immer unterschiedlicher. In politischen Debatten, in den Medien und in Gesprächen werden christlich-ethische Überzeugungen, die bis vor wenigen Jahren weitgehend als Allgemeingut galten, in Frage gestellt oder sogar abgelehnt. Stellen wir uns diesen Realitäten! In einer pluralistischen Gesellschaft müssen wir damit leben, dass wir nicht immer die Mehrheitsmeinung vertreten. Dies ist kein Grund, uns zurückzuziehen. Im Gegenteil: Wir bleiben eine selbstbewusste Stimme auf dem „Markt der Weltanschauungen“.

Die folgenden vier Punkte (die Reihenfolge bringt keine Wertung zum Ausdruck) beschreiben nach meiner Überzeugung eine Haltung und Denkweise, die uns hilft, weiterhin mutig für christliche Werte und die christliche Botschaft einzustehen:

Christliche Werte sind eine Grundlage unserer freiheitlichen Demokratie

„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“ (Ernst-Wolfgang Böckenförde). Unsere liberale Gesellschaft fusst zu grossen Teilen auf dem Fundament einer christlich geprägten Kultur. Ein Grossteil unserer Bevölkerung bezeichnet sich nach wie vor als „christlich“. Es ist ein Risiko, diese bewährte Grundlage zu verlassen.

Wir werden christliche Werte auch in Zukunft beherzt hochalten. Wir tun dies nicht, weil wir sie immer für mehrheitsfähig erachten, sondern weil wir sie für aufbauend halten. Wir vertreten die christlichen Werte im demütigen Bewusstsein, dass auch wir diesen nicht immer gerecht werden. Wir benennen christliche Werte deshalb nicht in einem moralisierenden, belehrenden Sinn, sondern auf Augenhöhe als unsere Stimme in aktuellen Diskussionen.

Als Christinnen und Christen sind wir konstruktive Mitgestalter der Gesellschaft

Freiwilligenarbeit und soziales Engagement sind nachgewiesene Wesensmerkmale der Freikirchen („Studie zum Gesellschaftlichen Engagement der Freikirchen Schweiz 2020“). Durch unser Engagement im Kinder- und Jugendbereich, in Seelsorge, Ehe- und Familienförderung und Diakonie tragen wir zur gesellschaftlichen Stabilität bei. Wir ermutigen und fördern unsere Mitglieder darin, sich sozial, politisch und wirtschaftlich zum Wohl der Gesellschaft zu engagieren.

„Überzogene Erwartungen“ an den Staat führen oft zu „Staatshörigkeit“ oder „Staatsverdrossenheit“ (Reiner Mayer), was wir beides kritisch sehen. Wir anerkennen die primäre Aufgabe des Staates, lebensförderliche Strukturen zu unterhalten und unterstützen ihn dabei. Wir anerkennen den Rechtsstaat der Schweiz mit seinen Institutionen und Behörden.

Der christliche Glaube bleibt eine lebensfördernde, attraktive Weltanschauung

Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, christliche Werte im Alltag auszuleben und konkret werden zu lassen. Gleichzeitig halten wir die christliche Botschaft aus der Bibel hoch, die hinter den christlichen Werten steht und uns motiviert, entsprechend zu leben. Es ist die Botschaft, dass Jesus Christus uns voraussetzungsfreie Liebe, unantastbare Würde, befreiende Versöhnung, inspirierende Zuversicht und wirksames Potenzial schenkt – in einer Welt mit viel Lieblosigkeit, Entwürdigung, Krieg und Misstrauen, Hoffnungslosigkeit und Machtlosigkeit.

Innerhalb des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus unserer Gesellschaft bezeugen wir auch zukünftig die Schönheit und Bedeutsamkeit der christlichen Botschaft. Wir tun dies durch unser Leben und Reden. 

Die christliche Botschaft reagiert auf gesellschaftliche Trends, wird aber nicht von ihnen bestimmt

Der Zeitgeist unterliegt Pendelbewegungen, das christliche Bekenntnis bleibt in seinen Grundsätzen gleich. Die Kirche hat den Auftrag, in Taten und Worten auf aktuelle Fragen und Nöte zu antworten. Gleichzeitig ist es der Kirche nicht möglich, „die Gestalt ihrer Botschaft […] ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen [zu] überlassen“ (Barmer Theologische Erklärung, These V). Wir verstehen uns nicht als „Verkäufer“ des christlichen Glaubens, sondern als seine „Botschafter“ (Josua Hunziker).

Eine Kirche, die ihre Botschaft, Überzeugungen und Werte zu stark der Gesellschaft anpasst, verliert ihr Profil, ihr Unterscheidungsmerkmal und schlussendlich ihre Relevanz und Bedeutung für die Gesellschaft. Aus diesem Grund werden wir unsere weltanschaulichen Überzeugungen, die biblische Botschaft, das Evangelium von Jesus Christus weiterhin bekennen und äussern.

 

Diese vier Punkte wurden am 26. September 2021 auf freikirchen.ch als Medienmitteilung «Weiterhin mutig für christliche Werte einstehen» veröffentlicht.

Christian Haslebacher

Christian Haslebacher

Regionalleiter Ostschweiz und Vorsitzender

Christian ist verheiratet mit Annette, hat drei Kinder und lebt im Thurgau. Er ist neben seinem Job als Regionalleiter auch Vorsitzender des Leitungsteam von Chrischona Schweiz. Er liebt gute Diskussionen.

Füsse waschen statt Köpfe

Füsse waschen statt Köpfe

Füsse waschen statt Köpfe

© goffkein

Petrus sagte zu Jesus: «Wasch mir den Kopf!» (Joh 13,9). Als Messias und Rabbi hätte Jesus allen Grund und alles Recht gehabt, dies zu tun. Stattdessen sagte Jesus zu Petrus: «Ich wasche dir die Füsse. Nur so kannst du Gemeinschaft mit mir haben.» (Joh 13,8.10).

Jesus entschied sich, an Petrus und allen Jüngern den demütigen Dienst des niedrigsten Dieners zu tun und ihm die Füsse zu waschen. – Jesus krönt seinen Jüngern den Kopf und wäscht ihnen die Füsse.

Dann sagte er zu seinen Jüngern: «Ihr nennt mich Rabbi und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin’s auch. Wenn nun ich, euer Herr und Rabbi, euch die Füsse gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füsse waschen.» (Joh 13,13-14)

Im Moment habe ich zum Beispiel im Umgang mit Covid und Covid-Impfung den Eindruck, dass Christen motivierter sind, einander die Köpfe zu waschen, als die Füsse. Das ist ein Fehler. Es birgt die Gefahr, dass wir einander beim Köpfewaschen die gottgegebenen Kronen antasten, was uns nicht zusteht. Unsere Köpfe und Kronen sollten uns heilig sein. Es ist gut, wenn wir unsere Kronen immer wieder demütig vor Gott ablegen (vgl. Off 4,10). Uns gegenseitig die Kronen vom Kopf zu schlagen, geht jedoch nicht.

Jesus wäscht uns nicht den Kopf, sondern krönt ihn. Reden und handeln wir gemäss dieser königlichen Würde. Dazu gehört sicher auch, dass wir füreinander und für unsere Gesellschaft und Verantwortlichen in der Regierung beten und sie segnen (vgl. dazu drastisch Lk 6,28; Mt 5,46-47). Und wenn Jesus, unser König seinen Jüngern die Füsse wusch, dann ist es Ausdruck auch unserer königlichen Würde, dass wir einander in Demut begegnen (vgl. Phil 2,3-4) und Schwieriges und Fehlbares mit einer gewissen Demut ansprechen (vgl. Gal 6,1-2).

Nochmals zur Covid-Situation. Vor einigen Tagen postete ich auf Facebook:

«Diesen Satz sollten wir alle einüben: ‘Sorry, ich habe mich bezüglich Covid geirrt.’ – In 10 Jahren wird klar sein, dass mindestens eine der heute zum Teil vehement vertretenen Überzeugungen zu Covid und der Impfung falsch ist, vielleicht auch diejenige, zu der ich neige. Wir sollten uns heute ALLE so verhalten, dass wir obigen Satz ohne grosse Hemmungen sagen könnten. Mit demselben Verhalten würden auch Freundschaften und kollegiale Beziehungen die Covid-Zeit eher überstehen.»

Dieser Post war kein Plädoyer dafür, keine Meinung zu haben. Wir sollen uns eine Meinung bilden und dürfen sie auch engagiert vertreten. Dieser Post war eine Einladung, mit einer gewissen Demut zu agieren, wie Jesus es uns mit der Fusswaschung vorlebte. Wir müssten ja notfalls noch zurückrudern können. Und unsere Gemeinschaft soll die Covid-Zeit überleben können.

Wir sollen einander die Füsse waschen, nicht die Köpfe. Nur so können wir Gemeinschaft miteinander haben.

Christian Haslebacher

Christian Haslebacher

Regionalleiter Ostschweiz und Vorsitzender

Christian ist verheiratet mit Annette, hat drei Kinder und lebt im Thurgau. Er ist neben seinem Job als Regionalleiter auch Vorsitzender des Leitungsteam von Chrischona Schweiz. Er liebt gute Diskussionen.

Menschenwürdiges Leben während der Corona-Pandemie

Menschenwürdiges Leben während der Corona-Pandemie

Menschenwürdiges Leben während der Corona-Pandemie

© dusanpetkovic – de.freepik.com

Das Corona-Virus beeinflusst unseren Alltag wieder stark. Während die Infektionszahlen leicht sinken, stagnieren und steigen, diskutieren Politiker, Epidemiologen und andere Experten über mögliche Massnahmen, um auf diese Entwicklungen zu reagieren. Eine solche Diskussion kann grundsätzlich auf zwei Ebenen stattfinden:

Einerseits können konkrete Massnahmen, die die Ausbreitung des Virus aufhalten können, thematisiert und deren Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden. Dabei wird z. B. über die Maskenpflicht gesprochen und festgelegt, wie genau diese umgesetzt werden muss, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Auch der Lockdown im Frühjahr war eine solche Massnahme, die auch heute wieder in einigen Ländern Europas zur Bekämpfung der Corona-Pandemie eingesetzt wird.

Andererseits können wir uns als Gesellschaft mit den Leitlinien bzw. der grundlegenden Ausrichtung auseinandersetzen, die uns bei der Reaktion auf die Pandemie, Orientierung geben sollen. Bei diesem Vorgehen werden grundsätzliche Fragen zum Zielhorizont der konkreten Massnahmen gestellt, der aktuelle Umgang mit der Corona-Pandemie kritisch reflektiert und Schlüsse für den Umgang mit vergleichbaren Situationen in der Zukunft gezogen. Mir scheint, dass diese Art der Auseinandersetzung in der öffentlichen Debatte aktuell zu kurz kommt, weshalb ich im Folgenden einige Gedanken dazu ausführen und damit zum gemeinsamen Diskutieren anregen will.

Ein wenig bekanntes Virus, das eine tödliche Krankheit auslösen kann und sich unkontrolliert verbreitet, löst bei vielen Menschen verständlicherweise Unsicherheit und Angst aus. Was liegt da näher als zu überlegen, wie dieses Virus gestoppt werden kann. Wir alle wollen unser Leben behalten und sind deshalb bereit, vieles dafür zu tun. Aus diesem Grund sind wir in einer solchen Situation auch geneigt, sämtliche Anstrengungen auf die Erhaltung unseres Lebens auszurichten. Eine solche Position vernachlässigt allerdings die Frage, was für ein Leben wir erhalten wollen. Mit diesem einseitigen Fokus gefährden wir deshalb letzten Endes genau das Leben, das wir zuvor schützen wollten. Der Theologe und Philosoph Robert Spaemann plädierte deshalb dafür, Lebenserhaltung und Lebensentfaltung stets zusammen zu denken und niemals gegeneinander auszuspielen.

Wie können wir diesem Ratschlag folgend beim Umgang mit der Corona-Pandemie die Entfaltung unseres Lebens wieder stärker in den Mittelpunkt rücken?

Zunächst müssen wir wieder lernen, dass Bedürfnisse im Zusammenhang mit der Gestaltung unseres Lebens legitim sind und geäussert werden dürfen. Wir sollten gemeinsam darüber reden, was das Leben lebenswert macht. Worauf wollen wir als Einzelne und als Gesellschaft nicht verzichten, weil sonst etwas Entscheidendes fehlen würde? Ich kann diese Fragen hier nicht umfassend beantworten, möchte aber einige Vorschläge zur Debatte stellen:

Als Menschen brauchen wir ein Gegenüber und die Gemeinschaft mit anderen, um unser Leben in all seinen Facetten entfalten zu können. Als Christen sind wir davon überzeugt, dass wir für ein gelingendes Leben neben der Gemeinschaft mit anderen, die Verbindung zu Gott brauchen. Beides, die Begegnung mit Gott und Mitmenschen, sollte während der Corona-Pandemie möglich sein dürfen. Dabei sind qualitative Einschränkungen in der Begegnung, wie z. B. Masken und körperliche Distanz, hinnehmbar, da sie das Miteinander unter diesen Rahmenbedingungen erst ermöglichen. Auch eine sinnstiftende Beschäftigung gehört zu einem gelingenden menschlichen Leben, weil wir uns dabei als wirksam, kompetent und wertvoll erleben können. Wird einem Menschen sowohl die Gemeinschaft mit einem Gegenüber als auch die Ausübung einer bedeutungsvollen Tätigkeit erschwert, wie das im Lockdown zu beobachten war, leidet darunter die Entfaltung des individuellen und kollektiven Lebens mit nicht absehbaren Konsequenzen.

Aus diesen Überlegungen darf allerdings auch nicht abgeleitet werden, dass der individuellen Lebensentfaltung keine Grenzen gesetzt werden dürfen. Als Menschen können wir unsere Interessen zurückstellen und die Interessen des Gegenübers als bedeutsamer anerkennen. Weil wir aber diese Fähigkeit besitzen, dürfen wir beanspruchen, dass unsere Interessen bei der Entscheidungsfindung des Gegenübers (oder des Staates) ebenfalls Berücksichtigung finden. Dies gilt ebenfalls oder vielleicht gerade besonders bei der Ableitung von Massnahmen zur Eindämmung einer Pandemie.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich will die Gefährlichkeit des Virus oder gar seine Existenz nicht herunterspielen oder leugnen. Das Virus stellt eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben vieler Menschen dar. Covid-19 kann aber auch zu einer Gefahr für wichtige Eckpfeiler einer menschenwürdigen Gesellschaft werden. Wir können dies verhindern, wenn wir anfangen darüber nachzudenken, was uns für unser Leben wirklich wichtig ist. Diesen Schatz können wir dann gemeinsam schützen und pflegen. Auf diese Weise kann diese Pandemie sogar zu einer Chance für uns alle werden.

 

Dietrich  Wagner

Dietrich Wagner

Gastautor

Dietrich Wagner forscht an der Uni St.Gallen zum Thema Wirtschaftsethik. Er liebt es, beim Denken nicht nur an der Oberfläche zu bleiben.

 

Die Akteurin für Heilung

Die Akteurin für Heilung

Die Akteurin für Heilung

© MIchele Cammarano / Public Domain

Die Ermordung des afroamerikanischen Staatsbürgers George Floyd durch einen weißen Polizisten in den Vereinigten Staaten hat uns alle erschüttert und eine Welle des Protests gegen Rassismus in Nordamerika und auf der ganzen Welt ausgelöst. Es versteht sich von selbst, dass das Thema Rassismus ein sehr komplexes Thema ist, denn es ist uralt und systemisch verwurzelt in unserer Gesellschaft. Diskriminierung und Rassismus sind nicht auf die Vereinigten Staaten beschränkt. Im Gegenteil, was in Nordamerika geschieht, hat seinen Ursprung hier in Europa. Wir leben heute mit den Folgen dieser Realität, mit den Folgen von Kolonialisierung und Sklaverei.

In der Schweiz nimmt der Rassismus oft eine sehr subtile, indirekte Form an. Sie manifestiert sich in kleinen Sätzen, die von Vorurteilen herkommen und die wir täglich hören. Es beginnt mit kleinen Bemerkungen wie „aber dieser Name kommt doch von einem anderen Land? Ich meine, sie sind nicht wirklich Schweizer“ oder „das ist unglaublich, sie haben wirklich keinen Akzent, woher kommen sie denn?“ bis hin zu rassistischen Witzen, die sich hinter einem „Verstehen Sie das nicht falsch, es ist nur ein Witz, wir sind keine Rassisten“ verbergen. Oder „das passt ganz zu ihnen“, denn, ja, beim Rassismus geht es auch darum, eine Rasse zu stereotypisieren und Verhaltensweisen zu verallgemeinern.

Als Christen, die das Reich Gottes aufbauen, wollen wir sicherstellen, dass wir respektvoll und gerecht agieren. Es liegt in unserer Verantwortung, aufzustehen, wenn Ungerechtigkeit geschieht, weshalb wir der Ungerechtigkeit der Unterdrückten besondere Aufmerksamkeit schenken wollen. Wenn in unseren Gemeinden Menschen ihre Erfahrungen oder Leiden im Zusammenhang mit Rassismus zum Ausdruck bringen, sollten wir das Thema nicht bagatellisieren. Wer kennt nicht schon das berühmte „Ach du übertreibst, heute gibt es in der Schweiz keinen Rassismus mehr“ oder „in der Schweiz ist Rassismus nicht so schlimm“. Diese ungerechtfertigten Überlegungen minimieren die Schwierigkeiten, denen Menschen tagtäglich ausgesetzt sind. Wie könnten wir es wagen, mit einer schwierigen Erfahrung, die Leid verursacht, nicht einverstanden zu sein, nur weil wir diesen gewöhnlichen Rassismus nicht in unserem täglichen Leben erleben? Und schließlich: Wie offen sind wir für Menschen, die täglich Rassismus erleben?

Wir müssen uns als Einzelne, aber auch als Kirche, der rassistischen Ungerechtigkeiten bewusst sein, mit denen viele Menschen hier in der Schweiz und manchmal auch in unseren Gemeinden konfrontiert sind. Die Kirche hat ihre Rolle als Akteurin des Wandels, der Heilung und der Wiederherstellung wahrzunehmen, besonders auch dann, wenn sich die Medien plötzlich einem anderen aktuellen Thema zuwenden. Wir wollen als Christen dafür bekannt sein, dass unsere Kirchen Orte sind, in denen ein konstruktives Zusammenleben jeglicher ethnischen Gruppe oder Hautfarbe möglich ist. Dieser Mentalitätswandel darf uns gerne noch ein bisschen beschäftigen.

Fabienne Fuchser

Gastautorin

Fabienne hat in Lausanne und Genf Recht studiert (Master of Law) und die Anwaltsschule absolviert. Momentan arbeitet sie am eidgenössischen Strafgericht in Bellinzona. In ihrer Freizeit spielt sie Klavier und singt in einem Gospelchor

Die Stunden mit unseren Kindern

Die Stunden mit unseren Kindern

Die Stunden mit unseren Kindern

© iStock.com/MartenBG

Jetzt sind alle Kinder zuhause und die Eltern auch häufiger. Hoffen wir, dass es nur eine Phase ist und Corona wieder verschwindet. Hoffen wir aber auch, dass wir die Chancen dieser Zeit nutzen. Allen Eltern rufen wir zu: Wenn ihr die Möglichkeit habt, euch in dieser Zeit besonders in eure Kinder zu investieren, dann tut es. Investiert in Qualitäts-Zeiten mit euren Kindern.

Zurzeit gibt es viele Tipp-Beiträge im Internet, wie man die Zeit zuhause meistern kann. Dass es eine Tagesstruktur braucht, dass Langeweile durchaus auch mal ok ist. Über all das müssen wir daher nicht weiter reden bzw. schreiben. Über was wir aber reden möchten, ist unsere Überzeugung, dass diese Zeit neben aller Herausforderung eine einmalige Chance ist für die Eltern, in die Beziehung zu ihren Kindern zu investieren. Eltern haben normalerweise 3000 Stunden pro Jahr, um ein junges Leben zu beeinflussen. Im 2020 werden es wohl ein paar Stunden mehr sein. Lasst sie uns nutzen als Chance, um mit unseren Kindern auch Glaubensgespräche zu führen. Die besten Gespräche entstehen da, wo sie nicht verkrampft gesucht werden. Konstruiere also keine künstlichen Szenen, um deine heimlich vorbereitete Spontan-Andacht zu platzieren. Sei stattdessen mit dir selbst ehrlich und rede über deinen eigenen Glauben, so wie er dich selbst beschäftigt und wie du den Eindruck hast, dass er dein Kind beschäftigt. Suche aktiv Chancen, gerade auch in der Natur (Ja du darfst mit deinem Kind raus, du sollst einfach andere Leute meiden) bieten sich in dieser Frühlingszeit viele Chancen, um über die Schöpfung und Gott zu staunen. 

Im Internet gibt es schon viele coole Clips für kleinere und ältere Kinder und in den nächsten Tagen werden wohl noch viele produziert. Auch das Fernsehprogramm wird laufend an die Kinder angepasst. Du könntest deine Kinder also den ganzen Tag mit Online- und Fernsehkonsum unterhalten. Hab kein schlechtes Gewissen, dass auch ab und zu so zu machen, aber definiere es als begrenzte Zeit und wo möglich, setze dich dazu und sprich anschliessend mit deinem Kind über die eben gesehene Geschichte. 

Die derzeitige Solidaritätswelle in der Schweiz ist beeindruckend – und auch für euch eine Chance. Entscheidet euch für eine Aktion, die ihr mit euren Kindern umsetzen könnt. Beachtet dabei aber die Vorschriften des Bundes, den Kontakt auf den engsten Kreis zu beschränken und Live-Kontakt nur mit den immer gleichen Personen zu haben. Solidarität kann auch ohne Live-Kontakt geschehen, bspw. mit Postkarten schreiben. 

Und in allem: Bald steht die Osterzeit an. Lasst uns dies zu einer besonderen Zeit machen. Lest gemeinsam in der (Kinder-)Bibel, schaut euch biblische Bilder- oder Wimmelbücher an, und so weiter. Entdeckt in dieser Osterzeit den Glauben gemeinsam neu, macht sie zu einer einmaligen Familienzeit. Diese Chance haben wir nur dieses Jahr. Betet auch gemeinsam, viele Kinder lieben es Fürbitte zu tun. Kurz: Pflegt die ganz normalen christlichen Rituale. Dabei können auch wir Eltern wieder ganz neu lernen, den Glauben im Alltag zu leben. Gottes Segen euch allen!

Und alle Eltern, die jetzt umso intensiver arbeiten – und gerne auch mehr Zeit mit ihren Kindern hätten: Vielen, vielen herzlichen Dank für das, was ihr für unser Land tut! Möge Gott euch jeden Tag die nötige Kraft geben. Und möge er euch und eure Kinder reich segnen! Er kennt viele Wege, dies zu tun.

Josias Burgherr

Josias Burgherr

Leiter Young Generation und Kommunikation

Josias ist verheiratet, lebt im Aargau und hat zwei Kinder. Er fördert und unterstützt mit seinem Young Generation Team die Kinder-, Teenie- und Jugendarbeit in den Chrischona Gemeinden. Zudem schreibt und gestaltet er für Chrischona Schweiz.

 

Was kommt nach dem Einhorn?

Was kommt nach dem Einhorn?

Was kommt nach dem Einhorn?

Credit: iStock.com/Mimadeo

Jedem sein Einhorn, am liebsten in weiss-pink und auf einer saftigen grünen Wiese. Und beides gehört mir, die Wiese und das Einhorn. Und falls ich das Einhorn nicht will, kann ich es einfach umtauschen. Kostenlos. Über die letzten Jahre und Jahrzehnte hinweg war die Suche nach Individualität das grosse Ideal unserer Gesellschaft. Die Idee dahinter: jedem stehen alle Türen offen, jeder ist etwas ganz Besonderes.

Auch in christlichen Kreisen haben wir das gepredigt: Jesus wäre auch am Kreuz gestorben, wenn du der einzige Mensch auf der Welt wärst. Oder: Gott hat einen ganz besonderen, einzigartigen und individuellen Plan für dich, perfekt auf dich zugeschnitten und in der gesamten Menschheitsgeschichte nicht wiederholbar. Alles mit einem Kern Wahrheit, aber halt auch etwas übertrieben und von der Sehnsucht nach Individualität mitgeprägt. Dass die meisten schönen Verse, die wir aus dem Alten und Neuen Testament zitieren, an ein ganzes Volk oder eine Gruppe gerichtet waren und nicht an eine einzelne Person, übersehen wir dabei gerne.

Ich will die Individualität nicht gänzlich schlecht reden. Jeder hat das Bedürfnis, gesehen und anerkannt zu werden. Das ist okay. Wir haben den Massstab, wie dieses Bedürfnis gestillt werden soll, aber sehr hoch gesetzt. Zu hoch. Ja, Gott hat etwas ganz Besonderes mit mir vor. Aber das kann sich auch im völlig unspektakulären Alltag zeigen. Dafür brauchst du kein Einhorn.

Nun neigt sich diese Individualitäts-Zeit langsam dem Ende zu. Die Menschen – insbesondere die Jugendlichen – suchen vermehrt nach Stabilität. Das hat Folgen: Von den Firmen wird beispielsweise nicht mehr primär Erfolg und Wachstum gefordert, sondern verantwortungsvolles Handeln. Als Reaktion darauf haben immer mehr Firmen einen eigenen Ehrenkodex veröffentlicht, der definiert, nach welchen Kriterien ihr Umgang mit ihren Mitarbeitern, Kunden und Zulieferern geschehen soll. Dies ist nur ein Beispiel davon, das zeigt: Wertorientiertes Handeln wird wichtiger. Über Werte wird Stabilität gesucht. Die Werte sollen der Individualität einen Rahmen geben, an dem man sich messen und orientieren kann. Sprich, die Individualität wird nicht verdrängt, aber begrenzt. So zumindest der Wunsch.

Diese Neuorientierung nach Werten ist in vollem Gange und bedeutet für unsere (Frei-)Kirchen eine riesen Chance. Wir sollten es nicht versäumen, diese Werte mitzuprägen. Denn sie kommen so oder so. Die Frage ist nur, wie „christlich“ sie sind…

Aber wie sollen wir uns in diese Debatte einklinken? Wie sollen wir prägen? Und wie schaffen wir es, dass wir nicht Trend-Werte weitertragen, die im Kern unseren Glauben gar nicht fördern? Zwei Fragen können helfen dabei:

  1. Was ist an den Werten, die die Gesellschaft aktuell propagiert, das spezifisch Christliche?
  2. Wenn wir die Bibel vorbehaltlos lesen: Für welche Werte würde unser Glaube einstehen?

Zu beiden Fragen ein paar Gedanken:

 

Das spezifisch Christliche der Werte

 Nehmen wir zwei aktuelle Werte: Toleranz und Umweltschutz. Die Gesellschaft definiert Toleranz etwa so: Alles muss sein dürfen, wer das nicht so sieht, muss bekämpft werden. Die Toleranz, die unser Glauben vermitteln möchte, betont etwas anderes: Unterschiedliche Ansichten hindern mich nicht daran, dich zu lieben. Oder nehmen wir den Umweltschutz. Die Gesellschaft ist von einem angstgetriebenen Handeln geprägt: Es scheint erwiesen, dass die Welt sich zerstören wird, wenn wir nicht Handeln. Wir haben uns an ihr schuldig gemacht und müssen sie nun mit allen Mitteln vor dem Untergang bewahren. So die vorherrschende Meinung. Aber was sagt die Bibel zu Umweltschutz? Dass wir es auch tun sollen, aber aus einer anderen Haltung heraus. Wir glauben an einen Gott, der in 1. Mose 8,22 versprochen hat:

Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Und ebenso steht in Matthäus 24,36:

Von dem Tage [wo Himmel und Erde werden vergehen] aber und von der Stunde weiss niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.

 Wir wissen also zwei Dinge:

  1. Der Jahresrhythmus wird nicht aufhören, solange es die Erde gibt
  2. Bis wann es die Erde gibt, weiss allein Gott

Was also bleibt, ist das Wissen, dass Gott alles in der Hand hat, auch die Schöpfung. Und was ebenso bleibt, ist der Wunsch, dieser Schöpfung Sorge zu tragen, aus Respekt und Liebe zu Gott, der sie geschaffen hat.

Umweltschutz ja, aber aus einer ganz anderen Motivation heraus.

Toleranz ja, indem sie aushält und nicht bekämpft.

Wer die Werte, die in der Gesellschaft hoch angesehen sind, mit der Frage nach dem explizit Christlichen prüft, findet schnell heraus, wie er die Werte mitprägen kann. Dies ein paar Gedanken in aller Kürze zur ersten Frage. Kommen wir zur zweiten.

 

Die „Original-Werte“ des Glaubens

Würden wir ungeachtet von allem, was uns im Heute prägt, die Bibel aufschlagen und Gott fragen, welche Werte er uns aufs Herz legen würde – was würde er sagen? Würden Umweltschutz und Toleranz dazugehören? Vielleicht schon… Oder nicht? Stell ihm die Frage mal. Mir ist dabei der folgende Vers wichtig geworden:

Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.

Galater 55,22-23a

Nicht alle diese Werte sind gleich zeitgemäss. Aber weil sie zeitlos sind, spielt das nicht so eine Rolle. Die Leute um uns herum sehnen sich nach Werten, die ihnen helfen, ihr Leben gut zu leben. Und es könnte uns gut anstehen, dabei auch auf Werte zu setzen, die nicht im Trend sind.
Man kann sagen, dass wir uns in einem nachchristlichen Europa befinden. Kann man. Man kann aber auch sagen, dass wir uns in einem vorchristlichen Europa befinden. Ein Kontinent, der darauf wartet, Werte und Orientierung zu bekommen.

Josias Burgherr

Josias Burgherr

Leiter Young Generation und Kommunikation

Josias ist verheiratet, lebt im Aargau und hat zwei Kinder. Er fördert und unterstützt mit seinem Young Generation Team die Kinder-, Teenie- und Jugendarbeit in den Chrischona Gemeinden. Zudem schreibt und gestaltet er für Chrischona Schweiz.